Ein kurzer Bericht
Montag 29.7.2019
Am Nachmittag treffen sie ein, die vertiefungsbereiten Brüder und Gäste.11 Personen. 2 Tagesteilnehmer kommen im Laufe der Woche noch hinzu.
Wir versammeln uns zur vorgeschriebenen Zeit mit anderen Gästen des Hauses zur Vesper. Der „genius loci“ entfaltet seine stille Kraft, langsam nimmt uns der Klosterrythmus auf. Eine Vorstellungsrunde macht uns einander vertrauter. Einige kennen sich schon lange, auch der Kirchberg ist ihnen nicht fremd, andere sind neu unter den Brüdern und auf dem „heiligen Berg“
Den Montag beschließt die Komplet-wie alle kommenden Tage auch.
Die Leitung liegt in den bewährten Händen unseres Probemeisters, Br Neues. Er gedenkt, den „Vertiefungstagen“ eine strenge Ordnung der Besinnung und Zucht zu geben. So ist nur an diesem und dem letzten Tag der Besuch des
„Rauchfangs“ gestattet. Ansonsten soll spätestens ab 22.00 Klosterruhe herrschen. (Einige nehmen sich die Freiheit, diese Vorgabe eher als Empfehlung zu deuten)
Der Dienstag-und alle folgenden Tage-beginnen für jeden, dem dies möglich ist, um 7.00 mit einem Wandel in der morgendlichen Stille. Franziskusgarten, Nonnenfriedhof, Apfelgarten, Kreuzgang. „Morgenlicht leuchtet rein wie am Anfang, Frühlied der Amsel, Schöpferlob klingt…“ (EG 455) „Der Weise richtet in der Frühe zuerst sein Herz darauf, den Herrn zu suchen, der ihn geschaffen hat und betet vor dem Höchsten“ (Sirach. 36,9) „Die Brüder widmen jeden Morgen und jeden Abend einige Zeit der Stille und Andacht“ (Regel, Satz 1)
Es folgt die Laudes, anschließend Singübungen mit Kantor Ulrich Klein-auch dies festes Programm. Eine Bibelarbeit von Br. Sachi zu Apg2,32-40: Das Zeugnis von der Auferstehung Christi und die Gabe des Heiligen Geistes als Basis des Gemeindeaufbaus gibt den Impuls für einen regen Gedankenaustausch. Eine Bibelarbeit folgt auch an den nächsten drei Tagen zur gleichen Zeit. Die Sext schließt den Vormittag.
Nach Mittagessen und Ruhezeit folgt ein Kernpunkt der Vertiefungstage. Unter Anleitung des Probemeisters nehmen wir uns Zeit, Abschnitte aus der Regel im Zusammenhang zu lesen und auf die Relevanz für unsere Gegenwart zu befragen. Wir machen dabei eine bedeutsame Entdeckung: Unter der oft altertümlich klingenden Sprache und den ebenso altväterlichen Formulierungen verbergen sich Einsichten, die für christliches und bruderschaftliches Leben bleibende Bedeutung haben! (Am Donnerstag, Freitag und Samstag folgt die Fortsetzung.)
Nach diesen, unsere Geister in vielfältiger Weise bewegenden Stunden begeben wir uns in die mentale Ruhe. Br Bollengraben führt uns in die Ikonenmeditation ein. Als Medium dient ihm ein in seiner Gestaltung für uns eher ungewöhnliches Bild. Eine koptische Ikone: Christus und Menas, als Kopie präsent in der Versöhnungskirche von Taizé.
Die Darstellung: Den rechten Arm legt Christus freundschaftlich dem Menas um die Schulter. Menas, ein in Ägypten bis heute hochverehrten Heiligen aus dem 3. Jahrhundert war ursprünglich Soldat, zog sich nach seiner Bekehrung als Eremit in die Wüste zurück, wurde später Abt eines Klosters und erlitt unter Diocletian 298 das Martyrium. Seine Erscheinung auf der Ikone: Mit der rechten Hand in Herzhöhe deutet er einen Segensgestus an und weist zugleich auf den Christus neben ihm. Christus ist die Kraftquelle seines Glaubens, ihm ist er verbunden, mit ihm geht er seinen Weg. Wo sind wir auf dem Bild? Sind wir Menas im Weitergeben der Botschaft auf unserem Weg- oder vielleicht auch Christus für Andere? „Schweige und Höre, neige deines Herzens Ohr. Suche den Frieden“ …Mit diesen Worten werden wir aus der Meditation zur Vesper entlassen.
Am Abend gibt es ein Gespräch über das aufblühende Pilgerwesen heute und seinen geistlichen Gehalt. Es wird auch der Unterschied zum mittelalterlichen Pilgern herausgestellt: früher eine Bußübung zum „heilbringenden Ort“, heute oft eher ein Exerzitium zur Selbstfindung: „Der Weg ist das Ziel“. Auch in der Bruderschaft sind schon mancherlei gute Erfahrungen mit dieser neuzeitlichen Annäherung an eine alte religiöse Übung gemacht worden, zB. im Rhein.-Westf. Konvent.
Der Mittwoch steht unter dem Zeichen des Waldpilgers. Eine Gruppe findet sich, die den von Br. Schmidt ausgearbeiteten Weg rund ums Kloster ein Stück weit erkundet. Einsiedler, Mönche, Heilige lebten draußen in der Natur, im Wald. Sie wurde ihnen Quelle der Inspiration. Können wir das in diesen Stunden ein wenig nachempfinden? „Verlasse auch den ausgetretenen Pfad, verweile, schaue, höre rieche und bleibe, bis du die Stille in dich aufgesogen hast.“
Von der „vita contemplativa“ zurück zur „vita activa“. Bruder Januschek leitet am Abend ein Gespräch über ein wesentliches Fundament unserer Bruderschaft: „Wir können nur an der Kirche bauen, wenn wir selber Kirche sind“ Wir wollen nicht abseits in einem Konventikel unsere eigene Spiritualität pflegen, sondern in den Kirchen und Gemeinden tätig sein, in die wir gestellt sind. Trotz der vielen Enttäuschungen und Vergeblichkeiten, die wir erleben.
Der Donnerstag beginnt nach den „consuetudines kirchbergensis“ mit der schlichten Werktagsmesse. Am Nachmittag führt uns der Probemeister in eine Kelchmeditation im Stile des „Geistlichen Pfades“. Dieser „Pfad“ nach K.B. Ritter ist eine Eigentümlichkeit der Bruderschaft und soll, wenigstens ansatzweise, während der „Vertiefungstage“ nicht fehlen.
Der Abend gilt auch K.B.Ritter. M. Knoke von der Universität Heidelberg berichtet von seiner Masterarbeit zum Thema: „Ansätze einer medientheoretischen Reflexion der Eucharistischen Feier K.B. Ritters“ Ein gegenwärtiger Blick auf ein gewichtiges Dokument der Bruderschaft wird uns vermittelt. Ausgehend vom Dictum Tillichs: „Offenbarung braucht Medien“ schließt Ritter: „Das Wort ist ein notwendiges Element allen Offenbarungsgeschehens, zu dessen Medium alles, jedes natürliche Sein und jedes gesellschaftliche Ereignis werden kann“ So stellt, wie M. Knoke ausführt, auch „Liturgie“ dar, was in Christus geschieht. Ist Christus „Leitmedium“ Gottes, muss die Liturgie „Medien“ finden, die den Geist Christi verkörpern, mehr noch: Christus nimmt nicht allein in Medien Gestalt an, sondern über diese soll die gottesdienstliche Versammlung selber Geistleib (Medium) Christi werden. Im Sinne Luthers: Den anderen ein Christus werden. Soweit M. Knokes Deutung der Ritterschen Vorstellungen. Im Gespräch werden viele Anregungen aus dem Vortrag vertieft.
Freitag: Wir erleben am Nachmittag in der Elisabethkapelle durch Br. Schmidt etwas für manche sicher Überraschendes: Einen „Mönchstanz“. Er sagt dazu: „Ein ( nicht allen bewusster G.L.) Schwerpunkt unserer Bruderschaft ist die Erfahrbarmachung des Glaubens durch Tanz als eine Form des Gebetes und des Gotteslobes.“ Inspiriert durch den verstorbenen Bruder Schnelle hat Br. Schmidt diese alte Form des Ausdruckstanzes neu belebt und bringt sie uns nahe.
Am Nachmittag tritt der „mystische Christus“ in unsere Runde. Br.Kiesebrink berichtet in konzentrierter Form von den Ergebnissen der Forschungen, die er in seiner Dissertation veröffentlicht hat. Den leitenden Grundgedanken gebe ich kurz wieder: „In der religiösen Kultur hat die Mystik immer eine prägende Rolle gespielt… Mystik ist forschendes, drängendes und denkerisches Eindringen in die Erfahrungen göttlicher Wirklichkeit… Die Mystik war in weiten Kreisen der protestantischen Theologie lange Zeit mit dem Vorurteil behaftet, in erster Linie auf Gefühl und Obskurantismus abzuzielen. In jüngster Zeit finden sich jedoch in der neutestamentlichen Forschung Versuche, die Kategorie Mystik wieder in die Exegese einzuführen. Die neueren Arbeiten konzentrieren sich dabei in erster Linie auf das Johannesevangelium und auf Paulus. Die Darstellung der mystischen Dimension Jesu ist daher ein Desiderat. Diese Lücke möchte ich mit meiner Arbeit schließen und zeigen, dass auch Jesus selbst als Mystiker begriffen werden kann und dass dies auch von den synoptischen Quellen gestützt werden kann.“ So Br. Kiesebrink. Es zeigt sich im Fortgang des Referats, dass von diesem Ausgangspunkt aus mannigfaltige Beziehungen zu den spirituellen Anliegen unserer Bruderschaft gezogen werden können. In der Diskussion wird deutlich: Aus dieser Sicht waren wir also schon immer auf der „richtigen Spur“
Der Samstag lässt die ereignisreichen, gefüllten Tage ausklingen. Liturgischer Höhepunkt ist das selten gefeierte Luzernar zur Vesper. „Heiteres Licht vom herrlichen Glanze…“
Einen starken Eindruck hinterlässt diese Feier. Danach treffen sich alle Teilnehmer zum Genuss irdischer Freuden draußen am Lagerfeuer zum Grillen. Es wird später auch erlaubt (nach dem Brudergebet), wegen der aufziehenden Abendkühle den Rauchfang aufzusuchen.
Der Sonntag versammelt uns zur Feier der festlichen Messe (ohne Weihrauch) in der Klosterkirche. Mit dem Reisesegen kehren wir zurück in unseren Alltag.
Es war eine gute Zeit. Der besondere Dank gilt unserem Probemeister, der umsichtig und mit ruhiger Hand durch die von ihm klug geplanten Tage führte. Es wäre zu wünschen, dass auch die nächste Veranstaltung als (wie die Regel sagt) Zeit „zur geistlichen Förderung und kultischen Erziehung“ in zwei Jahren reichen Zuspruch findet. „Vertiefen“, auf dem Kirchberg im klösterlichen Tageslauf lohnt sich für Interessierte, Anfänger und Fortgeschrittene im bruderschaftlichen Wesen. Das haben alle Teilnehmer erfahren können. “Es ist ein großes Glück, wenn man in ein Haus einkehren kann, in dem das Gebet der Kirche regelmäßig geübt wird“ (W.Stählin: Die ausgesonderten Tage)
Br. Gerd Ludewig