Michaelsfest des Rheinisch-Westfälischen Konvents und des Konvents Mitte-Ost in Volkenroda, 2.-5. September 2021
Ein geistliches Zentrum mit langer Tradition, irgendwo im Nirgendwo. Aber ganz in der Nähe der geographischen Mitte Deutschlands – das Kloster Volkenroda in Thüringen ist ein guter Ort, um ein Michaelsfest zu beheimaten. Bereits 2009 hatte der Rheinisch-Westfälische Konvent hier mit der Jungbruderschaft gefeiert, diesmal fanden sich rund 50 Gäste und Brüder zusammen, um unter relativ normalen Corona-Bedingungen das Michaelsfest zu begehen.
Optische Mitte der Anlage und auch der Ort unserer liturgischen Feiern ist der Christuspavillon, der anlässlich der Expo 2000 in Hannover erstellt und dann durch die Jesusbruderschaft in die Klosteranlage integriert wurde. Hier nahmen wir auch an der schlichten, gut zum Raum passenden Mittagsgebet der Bruderschaft teil, gesanglich getragen durch die Jugendlichen, die in erfreulich großer Zahl im FSJ oder Bundesfreiwilligendienst, aber auch im „Kloster auf Zeit“ das Leben des Ortes bereichern.
In der Gedächtnismesse am Freitag erinnerte Br. Roger Mielke anhand der Geschichte des auferweckten Lazarus daran, dass die Bruderschaft keine virtuelle Erinnerungskultur pflege, in der Traditionen und Menschen künstlich medial „konserviert“ werden. Vielmehr handle es sich um eine lebendige Gemeinschaft derer, die zu unserer Gemeinschaft gehörten und heute gehören.
Nach den Rechenschaftsberichten, die wir wegen des (erfreulicherweise durchgehend) guten Wetters im Freien abhalten konnten, sprach ich in der Beichtfeier über den Segen, der uns dort zugesprochen wird: Ich machte ihn stark als Zuspruch, nicht als Anspruch oder gar Druck, der den Start in ein neues Michaelsjahr überschatten könnte.
In der Bruderschaftsmesse stellte Br. Führer die Geschichte von Kain und Abel in den Mittelpunkt tiefenpsychologisch geprägter Betrachtungen: Wer ist Täter, wer ist Opfer? Und wo begegnet uns dieses Motiv immer wieder neu?
Die Festansprache zum Thema „90 Jahre Bruderschaft“ war diesmal in sieben Beiträge aufgeteilt: Brüder aus beiden Konventen gaben historische Überblicke ebenso wie persönliche Eindrücke aus der Geschichte der Bruderschaft wieder, besonders auch im Blick auf die Bruderschaft in der DDR und während der Wendezeit.
Am Nachmittag erkundeten wir in einer Führung dann das Gelände. Besonders die Architektur der ursprünglichen Klosterkirche, erbaut von Zisterziensern, und des Christuspavillons standen im Mittelpunkt. Faszinierend war zu sehen, wie alt und neu, Tradition und Moderne hier zusammenpassen und sich ergänzen. Ein Erbe der Jesusbruderschaft Gnadenthal, aus der die Jesusbruderschaft in Volkenroda erwuchs. Auch über die nicht immer leichte Geschichte der Kommunität erfuhren wir viel Spannendes. Ebenso erhielten wir einen kleinen Einblick in die Spiritualität der Jesusbruderschaft, die diesen Ort nach der Wende aufgebaut hat.
Wiederum zwei (Halb-)Brüder, Ismael und Isaak, waren die Protagonisten der Ansprache zur Michaelsvesper. Br. Raschkowski führte uns facettenreich und poetisch durch die Geschichte der ungleichen Brüder und ihrer Mütter – und ihres Engels.
Bei der Agape hörten wir drei sehr persönliche und kurzweilige Reden auf das Vaterland (Br. Gerd Ludewig), die Kirche (Br. Frank Klier) und die Bruderschaft (Br. Erik Förster). Br. Christian Erben sorgte mit Cellostücken von Bach und Reger für den festlichen musikalischen Rahmen im Refektorium.
Die Festmesse mussten (oder durften) wir aus organisatorischen Gründen dann in der vormaligen Klosterkirche feiern. Gab es im Christuspavillon – auch wegen der anspruchsvollen Akustik – nicht immer gesanglichen Wohlklang, ertönten Lieder und Gesänge im Chor der Kirche durchaus harmonisch. So hat wohl jede liturgische Tradition ihren harmonierenden Ort.
Die Tage endeten mit der Entlassfeier und der Weisung des Ältesten der Bruderschaft, der – als Bruder des Rheinisch-Westfälischen Konventes – die Tage in Volkenroda verbrachte. Intensive Tage, an einem intensiven Ort.
Br. Benjamin Härte