Rückblick auf das Michaelsfest 2021

Vom 14. bis zum 17. Oktober trafen sich der Konvent Hessen und der Konvent Österreich im Pallottihaus in Wien. Bruder Fenske schrieb den Bericht:

Bericht über das Michaelsfest der Konvente Osterreich und Hessen im Pallottinerhaus Wien vom 14. – 17. Oktober 2021

Unser Vikar Jürgen Renner hatte uns zwar unseren verstorbenen Bruder Diedrich Kürth-Landwehr als Vorbild vor Augen gestellt, der im Alter von neunzig Jahren noch mit zahlreichen Koffern und wundertätigen Ikonen bepackt zum Michaelsfest in St. Pölten angereist war (und die Bahnstation für das diesjährige Fest liegt eben mal eine ICE-Station weiter entfernt), und dann noch etwas deutlicher darauf hingewiesen, dass wir uns in der Regel, an die wir uns alle gebunden haben, verpflichtet haben, am jährlichen Michaelsfest teilzunehmen, was aber wie jedes Jahr nicht reichte, alle reisefähigen Brüder zu versammeln, so dass man den Eindruck gewinnen konnte, der Konvent Österreich, der uns eingeladen hatte, umfasse mehr Brüder als unser eigener Konvent. Zur Aufhellung dieses Bildes trug allerdings bei, dass viele unserer Brüder mit ihrer Ehefrau gekommen waren. Natürlich waren anwesend unser Konventsältester Heiko Wulfert mit Frau Elke, sein Vikar Jürgen Renner mit Frau Birkhild, der Kantor Volker Truschel mit Frau Heike, der Diakon Andreas Marschella, begleitet von Silke Möser, und Euer Berichterstatter mit Frau Heidi. Auch Herbert Böhm war gekommen mit Frau Heidi, Hans-Joachim von Samson-Himmelstjerna mit Heidi Eller sowie Klaus-Heinrich Neuhoff. Nachdem Corona nicht mehr so unser Leben bestimmt, war auch Thomas Schanze unter uns sowie Daniel Kallen als weiterer Bruder in der Probezeit. Als Gäste waren zu uns gekommen Herr Jörg Rustmeier, den einige aus der Marburger Messe kennen, sowie Dr. Eberhard Dielmann mit Frau Ursula aus Limburg, denen wir schon beim ökumenischen Gottesdienst in Kettenbach begegnet waren, mit dem wir unseren Konvent in Naurod beendet hatten. Heidi und ich waren mit der Bahn angereist, was zu der zu erwartenden Verspätung führte, so dass die Vesper und die Vorstellung der Österreicher schon vorüber waren, als wir eintrafen. Da nicht alle Brüder aus Österreich Namensschilder trugen, habe ich nie einen vollständigen Überblick über die Anwesenden bekommen, so dass ich nur erwähnen will, dass der Konventsälteste Jörg Lusche zugegen war sowie Gretel Hofhansl und Frau Ingrid Vogel von pro eccesia. Das Pallottinerhaus im 13. Bezirk war ein sehr angenehmes gastfreundliches Haus, in dem wir auch ohne Probleme in der Kirche unsere Gottesdienste feiern konnten. Zudem konnten wir uns, nachdem wir an der Rezeption unsere Impfzertifikate vorgelegt hatten (oder auch nicht), im ganzen Haus ohne FFP2-Maske bewegen.

Wie gesagt, die Vesper war schon vorüber, als wir eintrafen, dafür konnten wir die Complet mitbeten. Das Requiem im nächsten Morgen feierte Jürgen Renner mit uns, Thomas Schanze predigte über „Ostern im Herbst“, und Volker Truschel als Kantor hatte irgendwie eine Schola aus dem Hut gezaubert. Nach der Messe hielt uns Dr. Mario Fischer, Generalsekretär der GEKE und Kurator des österreichischen Konvents, einen Vortrag über die Ekklesiologie und Amtstheologie der GEKE. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich die Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa. Sie zählt 95 Mitgliedskirchen mit ungefähr 40 Millionen Mitgliedern, das sind gerade mal 8% der Bevölkerung Europas. Von diesen 40 Millionen gehören bereits 20 Millionen der EKD an. Wenn man nach Vorläufern der GEKE sucht, kommt man zunächst auf die Unionsbestrebungen zwischen Lutheranern und Reformierten im 19. Jahrhundert, die ihren Höhepunkt 1973 in der Leuenberger Konkordie fand, in der die unterzeichnenden Kirchen die wechselseitige Anerkennung der Ämter und Kanzelsowie Abendmahlsgemeinschaft zusagten. Es sollte keine Lehrverurteilungen mehr geben sondern Kirchengemeinschaft.

Im nächsten Punkt wandte sich der Vortragende der Ekklesiologie zu. Bei der Frage, was die Kirche sei, stehen sich zwei Vorstellungen gegenüber: die Kirche als Gemeinschaft oder als Versammlung. Der Vortragende schlug vor, wir sollten nicht so sehr fragen, was die Kirche ist, sondern wo sie ist. Auf die Frage, wer zur Kirche gehört, gibt es drei mögliche Antworten:

a) „Das weiß nur Gott“ b) Alle, die am Gott c) Alle, die der Kirche als Organisation beigetreten sind.

Dr. Fischer hätte noch mancherlei zu sagen gehabt, und sein Plan für diesen Vortrag hatte auch noch zwei weitere Abschnitte vorgesehen, aber während des Vortrages waren so viele Fragen vorgebracht worden, dass die Zeit schlichtweg um war, und wir zum Mittagsgebet gingen. Der Nachmittag gehörte den Helfergesprächen und dem Rechenschaftskonvent, nach dem Thomas Schanze noch eine Meditation anbot, die aber nur eine kleine Schar anziehen konnte. Mit der Fastensuppe begannen wir bis zur Beichtfeier zu schweigen. Da sich nicht genug Teilnehmer für die Nachtwache gemeldet hatten, wurde für 23 Uhr eine Vigil und für 7 Uhr am nächsten Morgen die Matutin angesetzt. Die Messe am Samstag feierte Andreas Marschella mit uns assistiert von Jochen von Samson, die Predigt hielt Bruder Christoph Petau. In dieser Messe wurden die Brüder in der Probezeit Daniel Kallen und Thomas Schanze in die Bruderschaft aufgenommen. Beim Frühstück erlebten wir Volker Truschel im Lutherrock, den er zur Feier seines Geburtstages angelegt hatte. Anschließend blieb Zeit für das brüderliche Gespräch bei einem Vormittagsbrunch, bevor wir uns zur Karlskirche aufmachten, bei der uns Dr. Karl Trauner zu einer Führung durch das „evangelische Wien“ erwartete. Die imposante barocke Kirche wurde von Karl VI. nach dem Ende der Pest in Auftrag gegeben und nach Plänen von Johannes Fischer von Erlach erbaut. Sie ist ein typisches Bauwerk der Gegenreformation, in der sich die katholische Kirche als ecclesia triumphans sah, nachdem die Habsburger das nach der Reformation überwiegend evangelische Wien erfolgreich rekatholisiert hatten. (So findet sich in der Kirche auch ein Bild, das Luther in der Hölle zeigt.) 1529 erfolgte die erste Belagerung von Wien durch die Türken, 1683 die zweite, und die katholischen Habsburger sahen als die drei Hauptübel Österreichs die Pest, die Protestanten und die Türken an. Der Protestantismus war in jener Zeit verboten, und seine Anhänger wurden verfolgt, bis Joseph II. das Toleranzpatent erließ, das den Protestanten die persönliche Ausübung ihrer Religion erlaubte – nicht jedoch die öffentliche. So gab es auch keine evangelischen Kirchen sondern nur Bethäuser. Immerhin erlebte der Protestantismus in Wien einen gewissen Aufschwung, so waren gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts fast ein Drittel der Universitätsprofessoren evangelisch. Heute sind nur noch 35% der Wiener katholisch und gerade mal knapp vier Prozent evangelisch. Die evangelische Kirche in Österreich ist ein Unicum, insofern sie genau zwei Mitglieder hat: die evangelische Kirche AB und die evangelische Kirche HB (ein Leckerbissen für Adepten der Mengenlehre). Zur Michaelsvesper kamen wir in der Michaelerkirche zusammen. Vorbeter war Herbert Böhm, und Volker Truschel hatte wieder eine Schola zusammengestellt. In dieser Vesper wurde Michael Bünker von seinem Amt als Kurator entpflichtet. Da unser bisheriger Probemeister Frank Lilie nun zum Konvent Württemberg gehört, wurde Volker Truschel als sein Nachfolger in diesem Amt verpflichtet, nachdem er zuvor aus dem Amt des Kantors entlassen worden war, das wiederum von Klaus-Heinrich Neuhoff übernommen wurde. Die Vesper hatte mit einer halben Stunde Verspätung beginnen müssen, da in der Michaelerkirche zuvor eine Messe (wie es schien für die Altherrenschaft einer Verbindung) gefeiert worden war. Trotzdem schafften wir es, uns pünktlich zur Agape zu versammeln. Der liturgische Rahmen, an den wir hierzulande gewöhnt sind, entfiel, dafür hatte sich das Haus große Mühe mit einem festlichen Essen gegeben, bei dem es auch an Wein nicht mangelte. Wie in Deutschland scheint auch in Österreich Corona zu einer Entlassungswelle in der Gastronomie geführt zu haben, nach der viele Beschäftigte nicht mehr in ihren alten Beruf zurück kehrten. So erklärt sich, dass sich das Essen ziemlich hinzog, obwohl das charmante Personal sich wirklich alle Mühe gab. Reden gab es auch: so hielt Volker Truschel (weiter im Lutherrock) eine sehr liebevolle Rede auf die Kirche. Man soll ja nicht aus dem Rechenschaftskonvent plaudern, aber mich hatte es schon betroffen gemacht, wie frustriert und resigniert viele Brüder im aktiven Pfarrdienst sich äußerten, deren Dienst von den Kirchenleitungen offenbar nicht wertgeschätzt wird. Wenn aber ein Pfarrer wie Volker so liebevoll von der Kirche spricht, dann kann man ja wohl noch Hoffnung sehen. Jürgen Renner hielt die Rede auf die Bruderschaft und erinnerte an Brüder, die für ihn bedeutsam gewesen waren. Mir machte diese Rede bewusst, wie alt ich doch schon bin, weil ich mich bei jeder Frage, wer noch einen dieser Heroen aus der Vorzeit persönlich gekannt habe, melden konnte. Für eine willkommene Überraschung sorgte Heiko Wulfert mit einer kurzen Rede auf die Helfer, die für uns da sind, für uns beten und uns mit ihrem Rat zur Seite stehen. Die Rede auf das Vaterland schließlich hielt Hans-Herwig Brunner, der über seine Heimat im Burgenland sprach. Obwohl wir inzwischen zwei Stunden über der veranschlagten Zeit waren, hielten wir noch die Nachtbitten mit dem Brudergebet.

Am Sonntag machten wir uns auf in die Lutherische Stadtkirche, die wie auch die reformierte Kirche in der Dorotheengasse liegt und die wegen der Vergangenheit als Bethaus nicht auf den ersten Blick als Kirche zu erkennen ist. Hier feierten wir den Sonntagsgottesdienst der Gemeinde als evangelische Messe. Der charmante Pfarrer, Wilfried Fussenegger, hielt eine Predigt über das Schlusskapitel des Buches Kohelet (Verse 1-8), Bruder Wulfert mit Jörg Lusche führte dann den Gottesdienst nach unserer Ordnung weiter. Besonders schön war, dass dieser Gottesdienst als Konzertgottesdienst umrahmt von Werken von Johann Sebastian Bach gefeiert wurde. Nach dem Gottesdienst hatten wir noch Gelegenheit zum Gespräch mit der Gemeinde, bevor die Konventsältesten mit uns die Entlassungsfeier im Hof der Kirche begingen. Als wir uns zum Schlusssegen auf der Dorotheengasse im Kreis aufstellten, zog einer der Passanten, die auf der Gasse unterwegs waren, seinen Hut und bekreuzigte sich.

Solch ein Fest erfordert viel Vorbereitung und Arbeit, und so danken wir Jürgen Renner, der wiederum die gesamte Organisation verantwortet hat, unserem Konventsältesten und Volker Truschel, der sich ohne großes Aufheben um den Gesang gekümmert hat, und vor allem den österreichischen Brüdern für ihre Gastfreundschaft. Mein besonderer Dank gilt den Brüdern, die uns auf dem Weg vom Pallottinerhaus in die Innenstadt und wieder zum Haus zurück begleitet haben, so dass sich niemand verlaufen oder die falsche U-Bahn nehmen konnte.

Christian Fenske

 

Viele Brüder waren mit großem Einsatz und viel Mühe bei diesem Fest tätig – aus unserem Konvent in erster Linie die Brüder Renner, Truschel und Wulfert. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank.

Christian Fenske

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