Predigt zum 21. Sonntag nach Trinitatis

PREDIGT über Matthäus 10,34-39

Es gab doch immer diese Bilderrätsel:
Welcher dieser vier Gegenstände gehört nicht dazu? Tisch, Stuhl, Sessel, Pudding.
Richtig, der Pudding. Die anderen drei sind Möbel. Tisch, Stuhl, Hund, Huhn.
Richtig, das Huhn, die anderen drei haben jeweils vier Beine. Friede, Taube, Palmzweig, Schwert.
Richtig, das Schwert, es ist immer das vierte.

Nein, im Ernst und um Gottes Willen, was hat Jesus denn geritten, diese Worte mit dem Schwert zu sagen?
Wir hören die wunderbaren Worte des Jeremia für die Verbannten in Babylon: „Ihr werdet in Frieden leben.“ Wir singen im Wochenlied „Du zeigst den neuen Weg des Friedens, das sei uns Auftrag und Gebot“ und dann sagt Jesus im Evangelium plötzlich: „Nein, ich bin nicht gekommen, um den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“
Das Schwert? Jetzt echt?
Das ist nicht der Jesus, den ich bestellt habe, das ist nicht der Jesus, den ich mag. Mensch Jesus, du hast doch noch fünf Kapitel vorher auf dem Berg gestanden und in einer fantastischen Rede gesagt
„Selig sind die Friedfertigen!“ und „wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, halte ihm auch die linke hin.“
Und sechzehn Kapitel später, als dich die Soldaten im Garten Gethsemane gefangen nehmen und Pet- rus das Schwert zieht, um dich zu verteidigen, da pfeifst du ihn zurück und sagst: „Stecke dein Schwert an seinen Ort. Denn wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen.“

Und hier: „Nein, ich bin nicht gekommen, um den Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Bist du noch der Friedefürst, den ich noch im Advent mit „Tochter Zion“-Gesang begrüßt habe?

„Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.“

Ok, ich gebe zu. Vor 2000 Jahren war der christliche Glauben ein Schwert, das damals oft quer durch die Familien schnitt. Die Jünger haben das hautnah miterlebt und auch mitgemacht: Sie haben teil- weise ihre Familien, ihren Beruf, gewissermaßen ihr ganzes altes Leben verlassen, um Jesus nachzu- folgen. Und in den Generationen danach war es für die ersten Christen nicht einfacher. Wer sich zum Christentum bekannte, musste damit rechnen, von den Römern verfolgt zu werden und ausgestoßen
zu werden aus seinem Familien- und Freundeskreis. Wer Christ wurde, brach oft mit seinem alten Leben.
Und das beste Beispiel war Jesus selbst. Der sich von seiner Familie löste, nicht den Beruf seines Va- ters ergriff, Maria mehr als einmal vor den Kopf stieß und schließlich mit Blick auf seine Jünger erklär- te: Das ist meine neue Familie.

Heutzutage ist der christliche Glaube kein Schwert mehr, dass Familien oder Freundschaften zer- schneidet. Wer sagt, dass er oder sie an Gott glaubt und zur Kirche geht, wird im besten Fall akzep- tiert, im Zweifelsfall belächelt (nach dem Motto „Hast du’s nötig?“) und in den seltensten Fällen ange- feindet.
In diesen Tagen sehe ich eher andere Schwerter, die Familien und Freundschaften zerschneiden. Sie heißen 3G und 2G. Wir als Kirchengemeinde haben beschlossen, unserem Kantor zu erlauben, am 4. Advent das Weihnachtsoratorium nach 2G-Regeln aufzuführen. Nur für Geimpfte und Genesene (und natürlich kommen auch die mit einem Test rein, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen las- sen können), dann ohne Abstand und Maske, denn nur so können Chor und Orchester zusammen auf- treten und nur so rechnet sich das finanziell. Aber es gibt Leute, die dafür kein Verständnis haben und uns dafür anfeinden: zwei Leute aus dem Chor, eine Musikerin – es sind nur wenige, aber das macht es nicht weniger schmerzhaft. Denn wir wollen ja niemanden vor den Kopf stoßen. Und ich weiß, dass es in manchen Familien und Betrieben ähnlich schmerzhafte Diskussionen gibt.

Das Schwert, von dem Jesus spricht, ist seine Botschaft, die unbedingte Nächstenliebe. Jeden so zu lieben, wie er ist. Und barmherzig zu sein, mit anderen, aber auch mit sich selbst. Er hat diese Über- zeugung mit solcher Vehemenz vertreten, dass er sich Feinde gemacht hat. Und als er von seinen Feinden angegriffen wurde, als sie ihn Gethsemane verhaftet haben, hat er kein Schwert aus Metall gezogen, sondern wieder nur sein Schwert der Liebe. Und das ist das Schwert, durch das er am Ende selbst umgekommen ist.

Die Kirche hat Jesu Schwert der Liebe über Jahrhunderte und Jahrtausende wieder mit dem Schwert aus Metall getauscht, ist in Kreuzzüge gezogen unter dem Motto „Gott will es!“ und hat die Menschen mit Gewalt und unter Blutvergießen missioniert. Sie hat bis ins 20. Jahrhundert hinein auf Menschen eingeschlagen, hat ihnen Gewalt angetan, körperliche und psychische. Jesus würde sich im Grab rum- drehen, wenn er nicht auferstanden wäre.

Es ist höchste Zeit, das Schwert Jesu wiederzuentdecken und zu nutzen. Vor 2000 Jahren hat seine Botschaft der unbedingten Liebe und des Friedens gespalten. Heute könnte sie ein heilendes Schwert sein. Natürlich ist die Symbolik des Schwerts immer noch gewalttätig und doof. Vielleicht sollte man statt des Schwerts eher die Schwertlilie nehmen, eine wunderbare Blume, auch „Iris“ genannt, das heißt „der Regenbogen“, weil sie so bunt ist. Und die Wurzeln haben tatsächlich heilende Kraft, helfen bei Erkältungen. Mit der Schwertlilie zu denen, die verschnupft sind, die die Schnauze voll haben, de- nen der Kopf dröhnt. Unser heilendes Schwert ist die Blume, ist der Regenbogen. Mit viel Liebe und Friedenswillen mitten hinein in die zerrissene Gesellschaft. Und heilen. Heilen, heilen, heilen.

Vier Dinge.
Jesus. Friedenstaube. Regenbogen. Schwertlilie. Keines ist falsch. Alles passt.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsre Vernunft, der halte unsren Verstand wach und unsre Hoffnung groß und stärke unsre Liebe.
Amen.

 

Pfarrer Nico Szameitat, Oldenburg
Konvent Norddeutschland
Leiter der Jungbruderschaft St. Michael

 

 

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