Nachdenken zum Sonntag Rogate von Ralf‍-‍Dieter Gregorius

Gelobt sei Gott,
der mein Gebet nicht verwirft
noch seine Güte von mir wendet.

Psalm 66,20

Nachdenken zum Sonntag Rogate
von Ralf-Dieter Gregorius

 

Nach „Jubilate – Freut euch!“ und „Kantate – Singt!“ erreicht uns durch den Namen des Sonntages die Ermutigung: „Rogate – Betet!“.

Freude und Gesang können als Komponenten eines gelingenden Lebens für alle Menschen gelten, das Gebet erscheint dagegen zunächst als Spezialfall im Bezirk der praktizierten Religion.

Und tatsächlich:
Gebet hat etwas intimes und besonderes.

Hören wir nur:

Erhöre mich, wenn ich rufe,
du Gott meiner Gerechtigkeit,

der du mich tröstest in Angst;
sei mit gnädig und erhöre mein Gebet!

Erkennt doch, dass der Herr seine Heiligen wunderbar führt;
der Herr hört, wenn ich zu ihm rufe.

Ich liege und schlafe ganz mit Frieden;
denn allein du, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne.

Psalm 4 aus der Komplet:
Gesang: R.-D. Gregorius nach einem Tonmodell von J. Gelineau,
Klavier: Matthäus Huth

 

Gebet kommt vor als Bitte, Lob, Dank und Klage. Aber auch als Gespräch des Herzens und als Schweigen vor Gott.

Laß dir wohl gefallen die Rede meines Mundes
und das Gespräch meines Herzens vor dir. (Psalm 19,14)

Der HERR ist in seinem heiligen Tempel.
Es sei stille vor ihm alle Welt! (Habakuk 2,20)

Im einem „stillen, sanften Sausen“ oder anders übersetzt
„im Klang der Stille“ erfährt Elia die Nähe Gottes.
(vgl. 1.Könige 19,11-13)

Wir sehen: Unser Glaube bewahrt sehr kostbare und besondere Erfahrungen, nach denen sich die Michaelsbruderschaft mit ihrer Gebetskultur ausstreckt. Ich habe das Vertrauen, dass diese Tradition des Betens Ausstrahlung hat und Menschen mit Sehnsucht nach der Erfahrung Gottes dienen kann.

Und dennoch sehe ich mit vielen anderen, dass das Gebet nicht nur „etwas“ ist, etwas Besonderes für spezielle Bedürfnisse. Nein, alles Wunderbare und Besondere der Gebetskultur von Christen und Juden kommt her von der urmenschlichen, all­gemeingültigen Erfahrung eines Lebens in Beziehung.

Leben in Beziehung, das kann in Familien konkret werden,  zwischen Eltern und Kindern, zwischen Vater und Sohn. Eine wichtige biblische Metapher für Gott ist und bleibt „Vater“.

Durch die Liebe stehen Menschen immer wieder in Be­ziehung zueinander. Und auch hier hören wir aus dem ersten Johan­nes­brief „Gott ist die Liebe“.

In familiären Beziehungen und in jeder Liebesbeziehung gibt es Bitte, Lob, Dank, Klage und erfülltes Schweigen. Hinzu kommt das weite Feld der sprechenden Gesten und der Rituale.

Das Besondere unseres Betens ist also tief verwurzelt in allge­mein menschlichen Erfahrungen.

Wenn wir beten sind wir bei Vater und Mutter, wenn wir beten sind wir bei dem Geliebten und bei unserem besten Freund. Wenn wir beten, sprechen wir mit unseren Gesten und Ritualen.

Was wir von Menschen erhoffen, Gott hat es für den Umgang mit ihm, den wir „Gebet“ nennen, zugesagt: Er wendet sich nicht ab, er entzieht uns nicht seine Güte. Er ist mal nahe, mal entfernt, mal verstehe ich ihn, dann wieder weniger, mal bin ich ganz eins mit ihm in den wesentlichen Fragen des Lebens und dann aber auch wieder nicht. Und dennoch, auch das Befremden ist aufgehoben in der Atmosphäre der Güte und Vertrautheit.

Wer verletzt ist durch schlechte Erfahrungen, wer bestimmte Türen erstmal nicht aufkriegt, etwa die des Bittgebetes oder der Anrede Gottes als Vater, kann andere Zugänge finden, denn das Gebet ist ein weiter und vielfältiger Erfahrungsraum. Wer durch irgendeine Tür eingetreten ist und verweilt, wer sich beheimatet, wird sehen, das Verletzun­gen nach und nach heilen und Blockaden sanft gelöst werden.

Das Besondere unseres Betens ist nie weit entfernt von den allgemeinen Erfahrungen der Liebe und Freundschaft. Wenn dann noch Freude und Gesang hinzutreten, dann hat unser Glaube Zukunft.

 

Gebet:

Gott, unser Vater,
durch Tod und Auferstehung deines Sohnes
hast du uns den Zugang zu neuem Leben geöffnet.

Wir bitten dich:
Heile unsere Verletzungen und stärke unser Vertrauen zu dir. Schenke uns tiefe Erfahrungen des Gebets. Lass uns spüren, dass wir dir nahe sind in Worten und im Schweigen. Dir sei Ehre in Ewigkeit.
Amen.

 

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