Andacht zu Karfreitag von Dr. Roger Mielke

Karfreitag: In den Tod…

Spruch zum Tage:
„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Johannes 3,16

Aus dem Psalm zum Tage:
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Psalm 22,2

 

Schöne Sache, so ein Phrasengenerator. „Moral-O-Mat“ heißt das Ding und erlaubt laut Werbeaufdruck 125.000 Kombinationen für alle Lebenslagen. Ganz einfach: Ein logisches Subjekt und ein logisches Prädikat, bestehend aus einem Adverb und einem Adjektiv oder einer weiteren prädikativen Bestimmung. Sprache zurück geführt auf elementare Aussagen. Klar: Auch der Tod hat seinen Platz unter den Phrasen. Und in der Tat: „Wer wollte leugnen, dass er „existenzgefährdend“ ist. Daher die knappe Sentenz des Apostels Paulus, das Evangelium ebenso lapidar wie triumphierend verdichtend: „Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.“ (1. Korinther 15,26). „Feind“ ist der Tod, sagt Paulus. Also nicht nur das natürliche Ende eines individuellen biologischen Lebens. „Feind“ – dies nun ist viel mehr als eine Phrase im Sinne des Alltagsverstandes. Der Tod macht sich breit mit „groß Macht und viel List“ (Martin Luther), er knechtet. Und noch der zynische oder heroische Protest der Todesverachtung – „viva la muerte“ war der Schlachtruf der spanischen Falangisten – zeigt seine Macht.
Das Evangelium beschönigt nichts daran, jede Illusion ist ihm fremd. Und gerade deswegen fasst der Verfasser des Hebräerbriefes den Weg Jesu so zusammengefasst: Christus hat dieses Menschenlos bis in seine Tiefen geteilt, „auf dass durch den Tod die Macht nähme dem, der Gewalt über den Tod hatte, nämlich dem Teufel, und die erlöste, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben Knechte sein mussten.“ (Hebräer 2,14.15).
Am Karfreitag steht die Kirche als Repräsentantin des dem Tod verfallenen Menschengeschlechts zur Todesstunde Jesu am Kreuz und setzt sich dem Bild des leidenden, zerbrechenden Jesus aus. Sie, die Kirche, und darin jeder einzelne Mensch, sieht in den Spiegel des eigenen Sterbens: „O Haupt voll Blut und Wunden“. Vielleicht gehen uns in diesen von der Corona-Seuche geprägten Wochen die Bilder von den Militärkonvois, die Särge aus den Pflegeheimen abtransportieren, durch den Sinn, vielleicht auch die Bilder verzweifelter Menschen aus den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln. All dies hat seinen Platz im Bild des Gekreuzigten. Und das will ausgehalten werden, keine Flucht ist möglich. Und dann erst beginnen wir zu ahnen, anfänglich zu verstehen vielleicht, dass Gott seine geliebten Geschöpfe mitten in dieser Welt des Todes sucht, hier, gerade hier bei ihnen, bei uns, bei mir, ist.
Christlicher Glaube ohne Phrase! Erst wenn diese Todeswirklichkeit in all ihren grausamen Facetten ganz ernst genommen wird, dann hat auch die österliche Freude ihre unausschöpfliche Tiefe: Gott hat seine Geschöpfe zum Leben bestimmt. Und hier gilt dann noch einmal der Phrasengenerator – ganz „sans phrase“:

Zu Karfreitag von Dr. Roger Mielke

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