Impuls zum 2. Sonntag in der Adventszeit

Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht! Lukas 21,28

Liebe Schwestern und Brüder,

wie alle Jahre wieder ist es auch in diesem Jahr alles andere als einfach, die tapferen kleinen Hirten das Fürchten zu lehren. Wen wunderts, wenn man bedenkt, dass der Verkündigungsengel von der Mama des 9-jährigen Oberhirten gespielt wird und mein 5-jähriger Enkel sich mit Opa in der Nähe auch nicht gerade bedroht fühlt. Gut so eigentlich, wenn auch dramaturgisch suboptimal.

Andererseits: Wäre es für die Gemeinde wirklich hilfreich, wenn die Hirten angesichts des Himmelsboten tatsächlich vor Angst fast vergingen? Vielleicht reichen ja doch die kleinen Hinweise in den Dialogen der Hirten, um darauf aufmerksam zu machen, dass es damals wie heute Menschen gibt, die am Rande der bürgerlichen Gesellschaft existieren, Menschen, für die so etwas wie selbstbewusste Zuversicht – und damit gepaartes Gottvertrauen – schon lange oder gar schon immer ein Fremdwort ist.

Und: Wer sagt denn, dass nicht auch manch eine oder einer von uns gerade in diesem Jahr die Hirten als Brüder im Geiste wiederentdeckt hat? „Erhebet eure Häupter . . .“ – vielleicht besser nicht angesichts von Drohnenangriffen und dem Wetterleuchten des Krieges im Osten . . .

Die Welt ist wie alle Jahre wieder zum Fürchten und „von oben“ kommt es selten nur Gutes. Entsprechend ist auch in diesem Jahr der Weg durch den Advent hin zur Heiligen Nacht emotional weiter als gedacht, zumindest dann, wenn wir die allgegenwärtigen Sorgen und Nöte nicht permanent in Glühwein ertränken.

Advent stellt uns auch an seinem zweiten Sonntag vor die Frage: Sind wir noch zu retten? Lohnt es sich, wie einst der Psalmbeter an das „ich hebe meine Augen auf zu den Bergen – woher kommt mir Hilfe?“ direkt das fast trotzige „meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat“ , anzuschließen?

Advent ist eben nicht bloße „Vorweihnachtszeit“ , garniert mit den obligatorischen Weihnachtsfeiern, Weihnachtsmärkten und hoffentlich auch familiären Bastel- und Plätzchenbackaktionen. Im Gegenteil: Advent stellt immer auch die Gretchenfrage: Wie hältst Du`s mit der Religion? Genauer: Wie steht es um die zum Gottvertrauen nun einmal notwendig gehörende Geduld? Wie sicher fußen wir auf den Worten des Evangelisten „Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.“ (Lukas 21, 33)

Unsere kleinen Hirten werden auch in diesem Jahr nach der Verkündigung des Engels ihre Schafe Schaf sein lassen und stante pede zum Stall laufen – und dann auch noch begreifen, was da geschehen ist. Vielleicht lädt uns der zweite Advent ja ein, dies probeweise auch zu versuchen, sprich uns aus der Deckung zu wagen und ernsthaft zur Erlösung bereit zu sein.

Euer Bruder Axel Mersmann

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