Impuls zu Ostern von Pfr. Axel Mersmann

Ostern beginnt früh.
Morgengrauen.
Immerhin: Wenigstens drei sind unterwegs.
Wider Erwartungen.
Wider die Erwartung derer, die alles so perfekt inszeniert hatten.
Besser hätte man es wirklich kaum machen können.
Das Böse.
Schon genial, diese Massenbeeinflussung, die dem Statthalter keine Wahl mehr ließ.
Und dann die Hinrichtung.
Draußen vor dem Tor.
Da, wo die hin kommen, mit denen seit alters her kein Gott mehr was zu tun haben wollte.
„Verflucht ist, wer am Kreuze hängt“ – und damit basta.
Weg.
Erledigt.
Ohne Nachhall.
Wenn sie nicht gewesen wären.
Diese drei.
Nein! Keiner von den Zwölfen.
Den Männern aus der ersten Reihe in besseren Tagen.
Die blieben in Deckung.
Warum auch immer.
Letztlich auch egal, denn: Sie hatten sich auf den Weg gemacht.
Wollten wenigstens das tun, was immer getan wurde in solch einem Moment.
„Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus und Salome wohlriechende Öle, um hin zu gehen, ihn zu salben.“
Ja, das gehörte sich so.
Trotz allem.
Gerade jetzt.
Die letzte Ehre erweisen wollten sie IHM.
Egal, ganz egal, ob das „nicht dran war“ jetzt, oder sogar gefährlich.
Was trieb sie?
Liebe?
Der verzweifelte Wunsch, wenigstens das tun zu können?
Wenigstens ein wenig Tradition mitten in der Verzweiflung?
Wir wissen es nicht.
Werden`s hier wohl auch nie erfahren.
Können höchstens vergleichen.
In uns selbst hinein hören.

Fragen, was wir denn tun, wenn wir loslassen müssen.
Was wir brauchen gerade dann.
Erst recht, wenn die Zeiten es einem so schwer machen.
Und sie kamen zum grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.“
Immerhin: unbehelligt bis hierher.
Die Gründe womöglich siehe oben.
Mit ihnen rechnete ja keiner.
Jedenfalls keiner von denen, die vor allem mit der Angst der Leute rechneten.
Keine Wache.
Kein „Halt! Bis hierher und nicht weiter!“
Keine Regeln für Trauerrituale in besonderen Situationen.
Nur …
Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“
Beinahe schon rührend, diese plötzliche Erkenntnis.
An alles hatten sie gedacht.
Sie wussten ja, wie „so was“ ging.
Bis auf das.
Kein „starker Arm“ weit und breit.
Kein Held.
Kein „Geht mal auf Seite, Mädels! Ich mach das schon.“
Was macht Mensch da?
Verschämt weggucken?
Schnell umkehren, bevor es auffällt?
Wäre ja peinlich genug, wenn die Besserwisser jetzt auch noch …
Aber: keineswegs!
Sie schauten hin.
Einfach so.
„Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß.“
So einfach ist das also: Hinsehen und man sieht weiter.
Frau jedenfalls.
Männer waren ja nicht dabei.
So einfach …
Wenn es doch so wäre!
Wenn wir es doch könnten: Einfach hinsehen.
Nicht weggucken.
Aushalten, was eben doch wahr ist.
Wenn, ja wenn …

Und dann auch noch weiter.
Sich der Situation stellen.
Den Dingen auf den Grund gehen auch auf die Gefahr hin …
Und sie gingen hinein in das Grab und sahen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Gewand an, und sie entsetzten sich.
Er aber sprach: Fürchtet euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden. Er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat.“
Ja! Auch auf die Gefahr hin, dass nun wirklich alles anders ist, als man es hätte erwarten können.
Alles – aber das??
Mal ehrlich: wer wollte ihnen das Entsetzen übelnehmen.
Wer hätte wirklich erwarten, dass sie sofort Halleluja singen?
Niemand.
Zumindest niemand mit Lebenserfahrung.
Mit auch nur einem bisschen Einfühlungsvermögen.
Denn: Ja klar:
Auferstehung: Man denke an Lazarus.
Auferstehung: Daran glaubt man ja schon.
Glaubte zumindest landauf, landab, bis des Gedankens Blässe …
Aber: Lassen wir das!
Jetzt war doch alles gut.
Ein Jüngling in weißem Gewand, noch dazu mit klarer Ansage.
Arbeitsauftrag mit Perspektive sozusagen.
„Back tot he roots!“
Galiläa ist angesagt!
Was will man mehr?
Noch dazu in so einer Lage?
Da braucht man doch einen, der …
Und singen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich.
Was war das denn?
Haben wir sie doch unterschätzt, diese drei.
Waren sie eben doch nur mit dem Mute der Verzweiflung unterwegs, jener Triebkraft, die sich so schnell gegen einen stemmen kann, wenn …
Und wenn schon:
Ich sehe mich da mitlaufen.

Aus der Fassung geraten.
Was zu viel ist, ist schließlich zu viel.
Die totale Wende in drei Tagen.
Wer soll das aushalten??
Ja, mehr noch: Wer soll daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen?
Sein Reisegepäck schnüren und „auf nach Galiläa!“?
Bei der Osternacht wäre ich dabei gewesen.
In Altenberg.
Wie so viele Jahre vorher auch.
Einzug in die dunkle Kirche.
„Meinen“ bergischen Dom.
Ich hätte mich tragen lassen von uralten Texten.
Wie alle Jahre wieder.
Und dann?
„Christ ist erstanden“ mit brausender Orgel.
Siegesfanfare fast ohnegleichen.
Und dann?
Dann hätte ich gepredigt.
Maximal 12 Minuten.
Wie alle Jahre wieder.
Und jetzt?
Die Kirche ist zu.
Der Ritus bleibt aus.
Stille.
So wie damals beinahe.
Damals, als die Sonne aufging.
Als der Stein weggewälzt war und einer sagte: „Fürchtet euch nicht!“
Kann ich das hören?
Hören gerade jetzt?
Wenn nicht jetzt, wann …??
Vielleicht schaffe ich es ja.
Schaffe es tatsächlich, noch einmal neu hin zu hören.
„Fürchtet euch nicht! Er ist auferstanden!“
Ich will`s ja.
Mich eben nicht fürchten.
Mich IHM anheimstellen.
IHM folgen.
Nach Galiläa – und dann Richtung Jerusalem.
Immer wieder.

Immer aufs Neue.
Nachfolge eben.
Aber: Wie geht das?
Wo liegt es denn?
Mein Galiläa?
Bin ich womöglich schon da?
Bin am Anfang der Nachfolge gerade jetzt, in diesen Tagen?
„Christ ist erstanden“ – wohin will ER mich führen mitten hindurch?
Hindurch durch Vereinzelung, Angst, ja Todesfurcht?

Eines gilt:
„Fürchtet euch nicht!“

Amen!

 

Pfr. Axel Mersmann

 

 

 

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