Impuls in der Fastenzeit: Invocavit – 1. Sonntag in der Fastenzeit 2025

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Matthäus 4,1.2 

 Meine Brüder! 

Im Fasten bin ich zunächst zurückgeworfen auf meine leiblichen Grundbedürfnisse. Der Verzicht auf Nahrung tut weh – auch der damit verbundene Lustgewinn. Die Einbildungskraft gaukelt mir verlockende Dinge vor. Nach etwa zwei Tagen verändert sich das. Eine Euphorie und Leichtigkeit stellt sich ein, die nur gelegentlich noch unterbrochen wird durch Einreden von Leib und Seele. 

Eines aber bleibt: Der Resonanzraum des inneren Menschen verändert sich. Die Amplituden werden größer: Was nach „normalen“ Maßstäben klein ist, kann plötzlich ganz groß werden. Ein nachlässig hingeworfenes Wort meines Gegenübers, eine Geste, ein Blick trifft mich tiefer. Ich bin verletzlicher für die Traurigkeit. Aber auch das Schöne berührt mich tiefer: Ein Duft, eine Frühlingsblume. Anderes, was mir im Alltag sonst sehr wichtig ist, rückt in die Ferne. Im Fasten wird mir deutlicher, dass mein Innenraum eine umkämpfte Zone ist. Ich redefiniere meine Bedürfnisse, kläre meine Maßstäbe. 

Das Evangelium des Sonntags zeigt den Prozess, in dem Jesus seine Berufung klärt. Es schließt sich direkt an die Erzählung der Taufe Jesu an. „Dies ist mein lieber Sohn“ (Mt 3,17) ist die große Zusage des Vaters – bei Mk und Lk noch prägnanter „Du bist mein lieber Sohn“. Jesus tritt als Sohn in seine messianische Berufung ein. Im Fasten der 40 Tage klärt sich seine Berufung und sein Weg. So soll es auch bei uns sein: In Jesus, in unserer Taufe, hat der Vater über uns ausgesprochen: „Du bist mein lieber Sohn, meine liebe Tochter.“ Was das für unseren Weg und unsere Berufung genau bedeutet, muss sich noch im Gehen unseres Weges klären. 

Das Evangelium des Sonntags Invokavit erinnert uns daran, dass wir auf diesem Weg das Fasten brauchen: Die Unterbrechung des Gewohnten, die Begegnung mit unseren eigenen Wünschen und Illusionen. Dort werden wir auch auf das Finstere und Dämonische treffen, das nirgendwo stärker ist als in unserer eigenen Personmitte: das „Herz der Finsternis“ (Joseph Conrad). 

Das Herz ist ambivalent (Jer 17,9): Der „Ort“, an dem wir der Schönheit unserer Berufung innerwerden, genauso wie des Finsteren und Abgründigen. Das ist nicht einfach auszuhalten, der Impuls auszuweichen ist stark. Nach meiner Überzeugung trifft die mythische Rede vom „Teufel“ (Mt 4,5) die abgründige, zerstörerische Wirklichkeit des Bösen, der wir nur an der Hand Jesu, mit dem Wort Gottes standhalten werden. In unsere Berufung finden wir aber nur hinein, wenn wir uns dieser Wirklichkeit stellen: „Da verließ ihn der Teufel.“ (Mt 4,11) 

Euer Bruder Roger Mielke 

Foto: Ryang Cheng via unsplash 

 

 

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