Gottesdienst, 21. So. n. Trinitatis

Wochenspruch:

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ Röm 12,21

 

Ps 19, 8-14

Das Gesetz des HERRN ist vollkommen und erquickt die Seele.

Das Zeugnis des HERRN ist gewiss und macht die Unverständigen weise. 9Die Befehle des HERRN sind richtig und erfreuen das Herz.

Die Gebote des HERRN sind lauter und erleuchten die Augen.

10Die Furcht des HERRN ist rein und bleibt ewiglich.

Die Rechte des HERRN sind wahrhaftig, allesamt gerecht.

11Sie sind köstlicher als Gold und viel feines Gold, sie sind süßer als Honig und Honigseim.

12Auch lässt dein Knecht sich durch sie warnen; und wer sie hält, der hat großen Lohn.

13Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir die verborgenen Sünden!

14Bewahre auch deinen Knecht vor den Stolzen, dass sie nicht über mich herrschen;

so werde ich ohne Tadel sein

und unschuldig bleiben von großer Missetat.

 

Gebet:

Gott hat uns verheißen, zu uns zu kommen. Haben wir uns von ihm abgewandt,

so will er sich von Neuem mit uns verbinden. Haben wir uns gegeneinander gestellt,

so will er uns von Neuem miteinander verbinden. In der Stille besinnen wir uns darauf,

wo wir Liebe schuldig geblieben sind. Stille

Gemeinsam singen wir:

All unsre Schuld vergib uns, Herr! (EG 344,6)

 

Die Liebe hört niemals auf. Nun aber bleiben Glaube, Hoffung, Liebe, diese frei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen. (1.Kor13,8.13)

 

Predigttext Jer. 29, 1.4-7,10-14

Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte. So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: 5Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; 6nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet. 7Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.

Denn so spricht der HERR:

Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe. 11Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffung. 12Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören. 13Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, 14so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe, spricht der HERR, und will euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen.

 

Predigt

Liebe Gemeinde!

Ich bin es so müde in dieser Corona-Zeit zu leben. Kaum glaubte man, aufatmen zu können, da kommt schon die zweite Welle.

Gerade fingen die Gemeindekreise wieder an und jetzt lassen wir sie doch besser wieder sein, weil wir niemanden gefährden wollen.

Ich bin müde. Wir planen stundenlang die kommende Weihnachtszeit und wissen nicht, ob wir überhaupt mit anderen Weihnachten feiern können.

Es ist ermüdend und zermürbend.

Manche Menschen halten diesen Zustand nicht mehr aus.

Sie reagieren mit Aggression, werden immer dünnhäutiger und gereizter, fühlen sich ausgelaugt und hoffungslos.

Hoffungslosigkeit hat ja auch gute Gründe.

Die Umwelt geht immer weiter kaputt und man weiß nicht, wie lange die Deiche halten.

Und man hat nicht den Eindruck, dass die meisten Staatslenker sie Situation wirklich verstanden haben.

Ich bin wirklich manchmal müde.

An vielen Stellen hat man das Gefühl, gegen Windmühlen anzukämpfen. Einfach völlig hoffnungslos, dass sich irgendetwas zum Guten wendet. Die Hoffnungslosigkeit hat gute Gründe.

 

Trotzdem gibt es heute einen Predigttext voller Hoffnung. Das Volk Israel sitzt mitten in der Krise – in der babylonischen Gefangenschaft und dann spricht Gott durch den Propheten Jeremia.

 

Was für schöne Worte:

Gott hat Gedanken des Friedens für uns und nicht des Leidens. Er möchte uns Zukunft und Hoffnung schenken. Es wird mal eine Zeit geben, da werden wir zu Gott beten und er wird uns erhören. Und wenn wir ihn suchen, wird er sich finden lassen.

Hoffnung, was ist das eigentlich?

Was kann uns dieser Bibeltext über Hoffnung lehren? – gerade jetzt in diesen Zeiten.

Zum einen, dass es bei dem  Begriff des Hoffens nicht um einzelne Menschen geht. Hoffnung in der Bibel ist immer Hoffnung, die über den einzelnen hinausweist.

Bei der Beschäftigung mit dem Begriff der Hoffnung ist mir aufgefallen, dass wir hoffen oft mit Wünschen verwechseln. Wünschen ist natürlich erlaubt, aber meist sind die menschlichen Wünsche mehr materieller und eher egoistischer Natur. So schreiben die Kinder vor Weihnachten ja auch Wunschzettel und keine Hoffnungszettel, weil es hierbei um die eigenen Bedürfnisse geht. Man wünscht sich beispielsweise neue, schönere Kleider. Aber man setzt üblicherweise nicht seine Hoffnung auf sie.

Manchmal sagen wir auch „hoffen“ und meinen damit unser „wünschen“. Hoffnung ist etwas viel größeres. Etwas Unfassbares. Nicht ein bisschen Glück, sondern das, was in unserem Bibeltext beschrieben wird:Frieden und Zukunft für alle!! Unverschämt groß dürfen und sollen wir hoffen, sich um der Leidenden willen nicht mit Kleinigkeiten zufrieden geben.

Hoffnung ist nicht begrenzt auf mich, sondern meint alle Menschen. Die Hoffnung übersteigt das persönliche Wünschen eines Menschen, weil es um eine Hoffnung geht, die nicht nur mir sondern auch den anderen gilt. Die christliche Hoffnung richtet sich immer auf die Beseitigung all

 

dessen, was unser Leben verfälscht oder nicht mehr lebenswert macht. Wir können darauf hoffen, dass wir eine Krankheit gut überstehen, wir hoffen aber als Christen zugleich auch darauf, dass es irgendwann gar keine Krankheit mehr geben wird – ja, nicht einmal mehr den Tod. Unser Hoffen ist ein ganzheitliches. Wir hoffen auf die Beseitigung aller Not, aller Ungerechtigkeit, aller Todesformen mitten in unserem Leben. Wir hoffen groß, wir hoffen, dass allen Menschen irgendwann ein lebenswertes Leben zuteil wird.

Wir hoffen das, weil wir an einen Gott glauben, der zu uns sagt: Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung

Es ist Gott, der mit uns Menschen etwas Gutes im Sinn hat, der uns trotz unserer Verfehlungen

mit Liebe begegnet. Ein Theologe hat es einmal so ausgedrückt: Wer glaubt, hat weit draußen einen Pflock, an dem das eigene Leben angebunden ist. Dass in der Not die Ankerkette des Glaubens halten werde, das hoffen wir.

 

So weit so gut – Hier könnte die Predigt eigentlich enden. Alles wird gut. Gott wird alles zu einem guten Ende bringen.

Es ist ja noch immer alles gut gegangen und das wird es jetzt auch! Tut mir leid, so leicht werde ich es euch heute nicht machen.

So leicht darf man es sich auch nicht machen, denn wie schon am Anfang gesagt: Die Hoffnungslosigkeit hat gute Gründe.

Man darf das, was den Tod bringt, was andere Menschen in Leid stürzt, die Klimakrise, die Gefährdung der Demokratie, die weltweit um sich greift, das Erstarken des Rechtsextremismus, die ertrinkenden Flüchtlinge im Meer, nicht verharmlosen.

Für viele Menschen, für viel an Leben wird es nicht gut ausgehen. Wir wissen eben nicht, ob das alles ein gutes Ende nehmen wird.

Das Lebens ist so kostbar: Gott hat es geschaffen. Jedes Leben ist kostbar und deshalb ist die Lage ernst.

Es fällt so leicht, die Hände in den Schoß zu legen, die Augen zu schließen und zu sagen: es wird schon alles gut gehen, was kann ich schon ändern.

Die Hoffnung auf eine guten Ausgang ist brüchig. Die Hoffnungslosigkeit hat gute Gründe und ich traue mehr den Skeptikern als denen, die meinen es ginge alles immer munter weiter wie bisher. Kann man Hoffnung behalten, wenn sich das Leben immer weniger als einsichtig erweist? Wie kann man auf den Sinn des ganzen setzen, wenn die Gegenwart und die erwartbare Zukunft sich als immer unsinniger und unsicherer erweisen?

Ich kann beides nicht lassen die Hoffnungslosigkeit und die Hoffnung auf einen Gott, der zu uns

sagt: Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung

Das ist ein Widerspruch – mit dem ich leben muss. Der Theologe Fulbert Steffensky sagt:

„Was bleibt einem anderes, als sich so zu verhalten, als gäbe es Gründe für den Glauben an einen guten Ausgang? Hoffen heißt auch, den Hoffenden spielen. Hoffen heißt auch, sich gegen das eigenen Herz als Hoffende aufzuführen. Es heißt also arbeiten, kämpfen, reden als ginge das Leben und als sei es nicht bis zum äußeren bedroht. Es heißt übrigens nicht nur arbeiten. Es heißt auch Musik hören und Wein trinken und Bücher lesen und Freunde besuchen (wenn es denn erlaubt ist) und zu tun, als hätte man alle Zeit der Welt. Noch einmal: Man muss sich zwiespältig machen und sich den Riss in die eigenen Hoffnungslosigkeit erlauben. Nur so kann man überleben.“

Ich brauche auch den Mut der Hoffnungslosigkeit zu widersprechen, mich ihr entgegenzustellen. Es ist meiner Meinung nach eine Sünde zu sagen: Ich kann ja doch nichts machen.

Auf unserer Ökotaschentuchpackung, die in der Küche steht, lese ich jeden Tag den Satz: Ich kann ja doch nichts machen, sagt sich die halbe Menschheit. Bei diesem Satz muss ich immer schmunzeln und denken: Wenn die halbe Menschheit sich bewegen würde, dann könnten wir doch etwas erreichen.

Eine andere Art von Sünde ist die, ständig im Einsatz sein zu müssen, zu denken, die Welt könnte durch mich gerettet werden. Diese Vorstellung ist schon im Ansatz dazu verurteilt, zu scheitern.

Ich werde nur einen geringen Erfolg haben mit meinem Tun, vor allem, wenn ich nicht andere mit ins Boot hole.

Ich werde lernen und erkennen, dass meine Kraft manchmal auch zu einem Ende kommt. Es wird immer wieder diese Phasen der Müdigkeit geben.

Dann bin ich auf Gottes Gnade angewiesen, darauf, dass er auch in den Schwachen mächtig sein kann. An Gott zu glauben heißt, eben an mehr zu glauben als an die eigene Stärke.

Es tut mir leid, ich kann euch nichts sagen, ob wir gut aus der Coronakrise kommen, ob der Klimawandel zu stoppen ist.

Ich weiß noch nicht einmal nach der letzten Synodalversammlung des Kirchenkreises, ob uns die Kirche, so wie wir sie kennen, nicht bald um die Ohren fliegt. Vielleicht liegt es auch daran, dass, wenn man ehrlich Christ sein möchte in dieser Welt, einem die einfachen Worte und Wahrheiten nicht über die Lippen kommen – und das ist gerade nicht sehr angesagt.

Aber: Wenn die Kirche schrumpft, weil den Menschen die Aussagen zu schwer erträglich und zu unbequem sind, ist das vielleicht ein Beweis dafür, dass wir uns auf den Spuren Jesu bewegen, der auch unbequem war in seinem Einsatz für das Leben.

Ja, manchmal bin ich wirklich müde.

Aber dann rüttelt mach so ein Text wie der Text des Propheten Jeremia wieder auf. Ich glaube an einen Gott, der das Leben will, der sagt:

Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung. Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören.

Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr.

Hoffen heißt sich zwiespältig zu machen.

Hoffen heißt zu kämpfen als würde man am Ende gewinnen.

Hoffen heißt, auch manchmal sich gegen das eigenen Herz als Hoffende aufzuführen.

Hoffen heißt, auch mal alles Schwere Gott vor die Füße zu werfen und zu rufen: So, jetzt bist du dran. Und so zu leben, zu lieben und zu feiern als hätte man noch alle Zeit der Welt.

 

Fürbitten

Gott, himmlischer Vater,

du wendest dich uns Menschen zu, den Nahen und den Fernen,

den Großen und den Kleinen, den Armen und den Reichen. Wir danken dir und bitten dich:

Herr, erbarme dich!

Beschütze deine Kirche. Segne ihren Dienst,

Lass dein Wort die Herzen der Menschen erreichen und berühre sie mit deiner Liebe.

Herr, erbarme dich!

Gebiete dem Bösen Einhalt, wo es sich zeigt in Ungerechtigkeit, Habsucht und Gewalt,

in Gleichgültigkeit und Menschenverachtung.

Hilf auch uns, das Böse mit Gutem zu überwinden. Herr, erbarme dich!

Gib Hoffnung und Mut, wo Menschen verzweifeln und für ihr Leben nichts Gutes mehr erwarten: weil sie von Krankheit betroffen sind;

weil sie ihren Arbeitsplatz verloren haben; weil sie eine Trennung verkraften müssen.

Herr, erbarme dich! Vaterunser

 

Predigt: Pfr.in Gabriele Kräuter

Gebete aus: Martin Evang, Gerd Keil, Isabel Seibt (Hg): Nimm an unser Gebet

 

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