Betrachtung zum Jahreswechsel

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Gebet:
Gott, Du Herr über Zeit und Ewigkeit. In Jesus Christus ist das Ziel des Lebens aufgeleuchtet in unsrer Welt. Hilf uns, Ihm zu folgen, und führe uns durch die Jahre auf dem Weg heim zu Dir. Darum bitten wir durch Jesus Christus unseren Herrn und Gott, der mit Dir in der Einheit des Heiligen Geistes lebt und herrscht in alle Ewigkeit.

Amen.

Lied:
Von guten Mächten – EG 65

Mt. 13,24-30

Jesus sprach:
Das Himmelreich gleicht einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. Als aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Als nun die Halme wuchsen und Frucht brachten, da fand sich auch das Unkraut. Da traten die Knechte des Hausherrn hinzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du also, daß wir hingehen und es ausjäten? Er sprach: Nein, auf daß ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, wenn ihr das Unkraut ausjätet. Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte: und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt in meine Scheune.

 

Liebe Schwestern und Brüder,
In der poetischen Sprache des Gleichnisses wird die Wirklichkeit unserer Welt und unseres Lebens beschrieben. Gutes und Böses, Sinnvolles und Absurdes, das Leben Förderndes und das Leben Minderndes stehen nebeneinander, durchdringen einander oft. Es fällt manchmal schwer, zu unterscheiden, was gut und gedeihlich ist und was sich nur den Schein des Guten gibt. Wir möchten gern Gewissheit und eine Welt, in der sich weiß und schwarz deutlich unterscheiden lassen. Doch wir müssen erkennen, daß das Ineinander von gut und böse auch für uns selbst gilt. Dabei kann ein guter Anfang, ein ernster Vorsatz sich wandeln und verdorben werden. Auf der anderen Seite kann aus einer völlig verfahrenen Situation schließlich doch Gutes entstehen, kann auch aus Schuld und Zerbrechen ein neuer Anfang unter dem Segen Gottes möglich werden. Wir machen die Erfahrung, daß nichts so böse ist, daß nicht doch etwas Gutes daraus entstehen kann.

Jesu Gleichnis zeigt uns, daß das Ineinander von gut und böse, von Fruchttragen und Verderben, nach Gottes Willen in der Welt bestehen bleibt. Der gute Same ist ausgesät und er geht der Ernte entgegen. Damit das Gericht ihn nicht mit dem Unkraut trifft, bleibt diesem eine Zeit der Gnade – vielleicht trägt es ja dann doch leuchtende Blüten. Gott selbst will die Saat Seines Wortes bewahren und zur Ernte bereiten und erst dann, zur Erntezeit, zur Zeit des Gerichtes Gottes, wird offenbar, was gut und was böse war, was vor Ihm Bestand hat und was vergehen muss.

Wir stehen am Ende eines schwierigen Jahres. Die Pandemie zeichnete unseren Alltag, versetzte Menschen in Angst. Die weltpolitische Lage bietet immer wieder Anlass zur Sorge. Die Veränderung des Klimas ist immer deutlicher zu spüren. Zugleich erleben wir, wie Wissenschaftler, Mediziner und Pflegepersonal in beispiellosem Einsatz ihr Bestes tun, wie Menschen mutig für Freiheit und Gerechtigkeit eintreten, wie verantwortliches Nachdenken und Handeln den Bedrohungen unserer Erde begegnen will.

Schönes und Schweres, Gutes und Böses stehen nebeneinander, durchdringen einander. Das gilt auch für unser persönliches Leben. Wir halten Bilanz und bedenken, was wir Gutes erfahren und Gutes gegeben haben. Wir sind uns (zum Teil) bewusst, was misslungen ist, wo wir Vergebung und Versöhnung brauchten und noch brauchen, wo wir lernen konnten, was wir anders machen, reden, denken müssen, und was wir im Neuen Jahr umsetzen können.

Gottes Gnade und Geduld gibt dem Guten Zeit zu reifen und dem Bösen immer wieder eine Chance zur Veränderung ins Gute hinein. Erst zur Zeit der Ernte entscheidet der Herr, was seine Knechte für die Scheunen sammeln und was sie als untauglich verbrennen müssen. So trägt Gott uns in Seiner Geduld, so wartet Er auf unsere Achtsamkeit für Sein heiliges Wort und Seinen Willen, so stärkt Er uns auf unserem Weg durch die Fragen und Probleme unserer Tage und nährt uns mit dem Brot des Lebens. Vor Ihm erfahren wir uns als Beschenkte und Bewahrte. Von Ihm erbitten wir aufs Neue das Bewußtsein unserer Verantwortung und Seinen Geist, der uns lehrt, die rechte Entscheidung zu treffen, dem nicht auszuweichen, was getan werden muss, und es mit Freude und Zuversicht anzugehen.

Luther empfiehlt uns, uns vor dem Morgen- und Abendgebet mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes zu segnen und uns so sogar körperlich zu vergewissern, daß wir unsere Wege getragen, bewahrt und geleitet gehen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes – auch im Jahr des Herrn 2022

Amen.

Fürbitten:
Gütiger Gott, im Namen Deines Sohnes und im Vertrauen auf Ihn bringen wir unsere Bitten vor Dich und rufen: Herr, erhöre uns.

Schenke uns den Geist Deines Sohnes, öffne unsere Augen füreinander und stärke uns, daß wir helfen, wo Menschen in Not oder benachteiligt sind. Wir rufen: Herr, erhöre uns.

Lass Frieden einkehren in unseren Familien und Häusern, zwischen Menschen verschiedener Traditionen, Sprachen und Religionen, mache uns zu Werkzeugen Deines Friedens. Wir rufen zu Dir: Herr, erhöre uns.

Nimm unsere Brüder und Schwestern, die heimgegangen sind, auf in deiner Liebe und schenke ihnen die Erfüllung ihrer Hoffnung. Wir rufen zu Dir: Herr, erhöre uns.

Geh mit uns durch die Zeit, o Gott, und führe uns Deiner Zukunft entgegen durch unsern Herrn Jesus Christus.

Amen.

Vater unser …

Es segne und behüte uns der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.

 

Väterlesung
In einer Predigt aus dem Herbst 1524 zeichnet Luther den Christen als einen Menschen, der Gutes und Böses in sich trägt, von Gott zum Guten geleitet und vor dem Bösen bewahrt wird:

So kommt es, daß ein Mensch in Gottes Reich vollkommen, barmherzig, mitleidig und freundlich gegenüber seinem Nächsten wird. Aufgrund der Eingebung des Heiligen Geistes weiß er, daß sich Gott ihm und jedermann gegenüber so verhält und seine Güte voller Milde ausgießt. Diese Art Gottes kann man nicht durch das Gesetz erkennen, sondern nur durch den Geist und das Wort des Evangeliums, weswegen auch durch irgenderlei Gesetz niemand Ruhe, Trost und Frieden des Herzens erlangt oder zum Reich Gottes kommt. Diejenigen, die viele Gesetze machen, ziehen die Menschen von Gottes Reich zu der Sünden Reich, in dem Unruhe, Angst und Betrübnis der Gewissen herrschen.

In Gottes Reich aber regiert unser lieber Herr Christus gleichsam als ein Spitalmeister in einem Spital unter kranken, armen, elenden Menschen. Den hierher zu diesem Reich gehören nichts als nur Sünder und elende Menschen, denen ihre Sünden vergeben werden.

Es sind zweierlei Dinge, Sünde vergeben und Sünde wegnehmen oder ausfegen. Wenn ein Mensch glaubt und getauft wird, so sind ihm alle Sünden vergeben. Aber darnach muß die Sünde, solange er lebt, durch vielfältiges Kreuz und Sterben ausgefegt werden. Die Sünde bleibt in uns, solange der sterbliche Leib währt, aber sie wird um Christi willen nicht im Zorn Gottes angerechnet, sondern mit väterlicher Züchtigung abgefegt. In solcher Fegung haben die frommen Christen, die sich im Kreuz rühmen und freuen, allen Trost, Frieden und Freude.

(WA 15,725ff)

Pfarrer Dr.theol. Heiko Wulfert

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