Zur Passionszeit 2023

  1. Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken, mich in das Meer der Liebe zu versenken, die dich bewog, von aller Schuld des Bösen uns zu erlösen.
  2. Vereint mit Gott, ein Mensch gleich uns auf Erden und bis zum Tod am Kreuz gehorsam werden, an unsrer Statt gemartert und zerschlagen, die Sünde tragen:
  3. welch wundervoll hochheiliges Geschäfte! sinn ich ihm nach, so zagen meine Kräfte, mein Herz erbebt; ich seh und ich empfinde den Fluch der Sünde.

 

So hat Christian Fürchtegott Gellert 1757 gedichtet. Vor 265 Jahren. Noch immer brauchen wir die Passion- und Fastenzeit von Sieben Wochen, damit wir dem Tod von Jesus Christus damals vor 2.000 Jahren am Kreuz von Golgatha nachsinnen und versuchen es zu verstehen. In der evangelischen Tradition liegt der Schwerpunkt bei der Passion: Was bedeutet es für mich, dass Jesus Christus gestorben ist? Wie kann es sein, dass ein Mensch die Sünde der Welt und alle Schuld auf sich nimmt, damit wir leben können und damit unser Leben bei Gott eine Zukunft hat?

Wirklich verstehen können wir es wohl nicht. Aber wir können uns in das „Meer der Liebe“ versenken, von der Gellert spricht: Es ist die Liebe Gottes, die uns tragen und halten will: Beim Nachsinnen über den Tod Jesu genauso wie beim Grübeln über den eigenen Schmerz und das eigene Leid. Gott will es tragen in seiner Liebe.

Die Sieben Wochen vor Ostern sind aber nicht nur Zeit des Nachdenkens über die Jesu Sterben am Kreuz. Genauso wollen diese Wochen eine „österliche Bußzeit“ sein, wie es in der katholischen Tradition heißt: In der „Fastenzeit“ sollen wir uns auf das höchste Fest der Christenheit vorbereiten: Auf Ostern und die Auferstehung unseren Herrn Jesus Christus.

Ist schon sein Tod am Kreuz kaum zu verstehen, wird seine Auferstehung im wahrsten Sinne des Wortes „unglaublich“: Wer soll es glauben, dass ein Toter wieder aufersteht und lebt? Da braucht es schon ein paar Wochen um sich darauf vorzubereiten.

Ob Sie nun eher der Passionszeit zuneigen und über das Sterben Jesu nachdenken, ob Sie nun eher sich auf das unglaubliche Osterfest vorbereiten: Nehmen Sie sich in diesen Wochen Zeit für Ihren Glauben und versenken Sie sich neu in das „Meer der Liebe“, das Gott uns anbietet.

 

Thomas Kretschmar
Dekan i.R. , München-Moosach

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