Predigttext: Apostelgeschichte 6,1-7
In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. Da riefen die zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, daß wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen. Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst.
Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben. Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia. Diese Männer stellten sie vor die Apostel; sie beteten und legten die Hände auf sie. Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.
Liebe Gemeinde !
Das kommt uns jetzt doch sehr bekannt vor, oder? Auch bei uns wird immer mehr geklagt, dass die Pfarrpersonen so überlastet sind. Und seit immer weniger junge Menschen Theologie studieren, werden die Aussichten auf künftige Pfarrstellenbesetzungen immer schlechter. Auch damals schon: Die Apostel mußten sich um so viele Dinge kümmern, daß sie kaum noch Zeit hatten, sich um das Eigentliche, nämlich Gottes Wort und seine Verkündigung, zu bemühen. Und bei der ausgeblieben Versorgung hört auch schnell das Verständnis für überlastete Mitarbeiter auf.
Wie heißt die Lösung? Ehrenamtliche müssen her, Menschen, die bereit sind, solche dienenden, das heißt diakonisch nämlich übersetzt, also solche dienenden Aufgaben zu übernehmen. Und so sind viele Pfarrerinnen und Pfarrer und Gemeindekirchenräte beständig auf der Suche.
Wenn es gut läuft, zum Beispiel mit unserem Prädikanten Rieth, dann kommen Kollegen und Kolleginnen und bitten ihn um Vertretungsdienste in Gemeinden auch über unsere Region hinaus. Das führt dann dazu, dass Herr Rieth aufpassen muss, dass er noch mal einen freien Sonntag hat. Aber es kann auch gründlich schief gehen. Als mein Kollege Schewe in den Ruhestand ging und ich auf absehbare Zeit die zweite Pfarrstelle mit ausfüllen musste, hatte der Vorsitzende des GKR eine gute Idee. Er wollte einen Besuchsdienst aufbauen. Aber als die Besuchten immer wieder sagten: Von Dir brauche ich nicht besucht zu werden. Der Pfarrer soll kommen. Da haben die Ehrenamtlichen die Motivation verloren.
Ganz ähnlich ist es den Frauen ergangen, die sich darum bemüht haben, Gefüchtete mit unserer Gemeinde in Kontakt zu bringen. So lange sie zum Eltern-Kind Kreis mit dem Auto abgeholt wurden, sind sie eine Zeit lang gekommen. Näheren Kontakt zur Gemeinde haben sie aber nicht gesucht.
Sie wollten lieber unter sich bleiben und zum Gottesdienst fuhren sie nach Berlin, wo ihre Landsleute eine eigene Gemeinde haben.
Der Paul hatte es sich zur Aufgabe gemacht, der Jugendarbeit wieder mehr Leben einzuhauchen. Da ich auch in der Chatgruppe bin, habe ich mitbekommen, wie mühsam das ist. Wie oft hagelt es Absagen für den Jugendabend oder für Treffen auf kreiskirchlicher Ebene. Da braucht es einen langen Atem. Schön ist, dass die Bandarbeit gut läuft. Die Jugendlichen haben die ganzen Ferien lang unermüdlich geprobt und gestalten nun eine Konfirmation nach der anderen mit. Nicht nur bei uns in St. Michael.
Als gelungene diakonische Arbeit darf ich noch die grünen Damen nennen, die regelmäßige Besuche im Evangelischen Krankenhaus machen. All das wäre bei einer Gemeindeversammlung zu nennen, wenn das Thema Ehrenamt dran ist. Immer wieder einmal gibt es Ansätze, die Gemeinde zu beleben, aber immer wieder auch besteht die Möglichkeit unseres Scheiterns. Das dürfen wir uns ehrlich eingestehen. Wir sind nicht klüger, als die Christen in den ersten Gemeinden damals.
Es bleibt die Einsicht erhalten, daß die Aufgaben in der Gemeinde nicht allein von den sogenannten „Hauptamtlichen“ getan werden kann. Denn die Qualität der geistlichen Versorgung einer Gemeinde hängt auch davon ab, in welchem Maße der Pfarrer, die Pastorin Zeit haben zum Gebet, zur Seelsorge und zur Predigtvorbereitung. Wenn nämlich bei uns vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen die Rede ist, muß es also auch ein spezielles Priestertum geben. Den Rahmen dafür gibt unsere Kirche vor. Sie bildet Pfarrer und Pfarrerinnen, Diakone und Diakoninnen, Katechetinnen und Katecheten, Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker aus. Sie richtet Pfarrstellen ein und hilft durch Zuweisungen von Finanzen aus der Kirchensteuer die unterschiedlichen Aufgaben der Gemeinden zu erfüllen. Aber es ist wie gesagt der Rahmen. Ausfüllen muß jede Gemeinde diesen Raum selbst. Indem nämlich jeder seinen Platz sucht und hoffentlich findet. Und wo nicht, daß ihm dabei geholfen wird.
Wir sollten schon immer wieder nach denen fragen, die nicht regelmäßig am Leben der Kirchengemeinde teilnehmen. Wir haben ja einen Gemeindebrief, der allen christlichen Haushalten zugestellt wird. Was empfinden jene, die ihn im Briefkasten finden und nur feststellen: es funktioniert noch, was braucht es da mich? Oder ob sie aufbegehren und murren, wie jene in der ersten Gemeinde?
Weil sie glauben übersehen zu werden? Ob sie denken, ich passe doch nicht in deren Rahmen? Für mich ist nichts dabei, ich komme hier nicht vor. Jeder von uns kann sich das einmal fragen: Gibt es da etwas Gemeinsames zwischen uns? Eine gemeinsame Sorge? Einen Weg, den wir häufig gemeinsam benutzen? Sollte ich nicht die Nachbarin mal wieder fragen, ob sie mitgeht zur Frauenhilfe oder zum Kirchenkaffee? Vielleicht suche ich einmal wieder das Gespräch mit denen, die mir fremd geworden sind und entdecke, daß es da Gemeinsames gibt. Ein ähnliches Schicksal, ein gemeinsames Anliegen etwa, Sorgen vielleicht um die Zukunft der Kinder oder Enkel, es könnte jene Seite geben, an der wir zusammenpassen. Manchmal kann es sein, daß wir Halt finden aneinander.
Gottes Gute Nachricht, sein Evangelium findet nicht nur Organisation vor, sondern auch Menschen mit Geist, heiligem Geist, mit Weisheit und Tatkraft. Menschen, die nicht nur Bedürfnisse haben, sondern auch wissen, wohin sie gehören, die wissen, an wessen Seite sie das bunte, manchmal verwirrende Bild einer Gemeinde mit entstehen lassen dürfen und sollen. So wird jeder zum Diakon, der den Nächsten im Blick behält und der es immer wieder wagt, ein paar neue Schritte zu gehen. Bitten wir Gott, daß er uns sensibel dafür macht und uns immer die nötige Kraft gibt.
Amen
Predigt von Pfr. Bernd Dechant