Jesus sagt: Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme. Johannes 18,37
…und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten und Fürst der Könige auf Erden! Ihm, der uns liebt und uns erlöst hat von unsern Sünden mit seinem Blut und uns zu einem Königreich gemacht hat. Of-fenbarung 1,5
Meine Brüder!
In meinem Bücherregal hat dieses angegilbte rororo-Ta-schenbuch einen Ehrenplatz: Vaclav Havels 1978 entstande-ner Essay über seinen Weg in die Dissidenz. Als junger Mann hat mich dieses Büchlein nachhaltig beeindruckt: Der Weg in die Freiheit beginnt mit einer Entscheidung gegen die Lüge. 11 Jahre nach der Erstpublika-tion des Textes, im Jahr 1989, war es so weit: der Eiserne Vorhang fiel.
Können wir so auch den geistlichen Weg verstehen und unser Leben als Gemeinschaft von Brü-der: als „Versuch, in der Wahrheit zu leben“? Die Wahrheit ist hier als „Biotop“ gedacht, als Ort, an dem Leben gedeihen kann. Ganz ähnlich ist die Vorstellung in Joh 18,37, einem Vers des Pre-digttextes für den Sonntag Judika: „aus der Wahrheit sein“. So, wie der Sohn aus dem Vater und auf den Vater zu ist, so ist der Christenmensch aus der Wahrheit und auf die Wahrheit zu. Die Wahrheit ist der Ort, an dem Jesus ist, und wo ich, im Leben und im Sterben, mit ihm verbunden bin. Die Wahrheit als „safe space“ eines gelingenden Lebens. Karl Barth legt im dritten Band seiner Versöhnungslehre den Weg des Sohnes in Anknüpfung an Offb 1,5 als den des „wahrhafti-gen Zeugen“ aus, der den Menschen aus der Sünde der Lüge in die Wahrheit gelingenden Lebens führt (KD IV,3 §69). Bis heute lesenswert!
Mit dem Sonntag Judika treten wir in die Passion im engeren Sinne ein. Können wir die verbleiben-den zwei Wochen bis Ostern als eine Zeit des Wägens und der Prüfung verstehen? Wo bin ich persönlich, wo sind wir als Gemeinschaft in Lebenslügen gebunden? Konkret etwa: Wo habe ich mich in Bequemlichkeit eingerichtet, mir harte Entscheidungen und notwendige, aber an-strengende Schritte erspart? Wo entziehe ich mich nötigen Klärungen oder Konflikten? Wo brau-chen meine Schlüsselbeziehungen Erneuerung? Wo bin ich – und wo sind wir als Gemeinschaft anfällig für ideologische Verdrehungen des Evangeliums? Traditionalistische Ideologisierungen wären um keinen Deut besser als zeitgeistige. Darüber hinaus: Bin ich auch persönlich bereit, in den Spiegel der Passion zu schauen, um meine eigene Lüge aufdecken zu lassen? Und, wenn der Gekreuzigte der Spiegel des liebevollen väterlichen Herzens Gottes ist, wie kann ich mich neu faszinieren und ermutigen lassen, den Schritt in die Wahrheit zu gehen, dort zu sein, wo Jesus ist?
Meine Brüder, schaut hin und gebt Eurem Helfer, gebt einander Anteil an Eurem Weg. Noch einmal also die Frage, wie am Ende des Impulses der vergangenen Woche: „Adam, wo bist Du?“ Kann ich antworten: „Ich weiß nicht so genau, Vater, wo ich bin. Aber ich weiß, wohin ich will: in Deine Wahrheit.“ So bete ich: „Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; er-halte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.“
Es grüßt Euch Euer Bruder Roger Mielke